Hermann Weber: Ingenieur bei DKW

Hermann Weber
Oberingenieur Hermann Weber hatte entscheidenden Anteil daran, daß sich das sächsische Zschopau ab 1922 zu einem internationalen Zentrum der Motorradindustrie entwickelte.
Der Sohn eines Kaufmanns wurde am 11. März 1896 in Chemnitz geboren, besuchte von 1902-1908 die höhere Knabenschule und anschließend bis 1913 die städtische Oberrealschule. Mit Volontariaten bei der damals führenden Chemnitzer Maschinenfabrik Escher und bei Winkelhofer und Jaenicke, den späteren Wanderer-Werken, folgte er seinen technischen Interessen. Sein 1914 begonnenes Studium an der Königlichen Gewerbeakademie Chemnitz mußte er kriegsbedingt unterbrechen, konnte es im Januar 1919 weiterführen und schloß es 1921 ab. Während des Krieges diente er laut Zeitzeugen bei einer Fliegerstaffel und zog sich dort ein Nierenleiden zu.
Bereits am 1. April 1921 trat er als junger Ingenieur seine Stelle bei den Zschopauer Motorenwerken J.S. Rasmussen an. Dort wurde ein kleiner Zweitaktmotor, den Ing. Hugo Ruppe entwickelt hatte, inzwischen erfolgreich als Fahrrad-Hilfsmotor hergestellt. Die erste Weber’sche Entwicklung, das Reichsfahrtmodell, war gleich ein großer Wurf. Der Motor wanderte vom Fahrrad-Gepäckträger in das Rahmendreieck und leistete 2,5 PS bei 148cm³. Damit stieg DKW in die Motorradproduktion ein und sollte sich bis zum Ende des Jahrzehnts zur größten Motorradfabrik der Welt entwickeln.
Weber war nicht nur ein begnadeter Ingenieur, sondern auch ein erfolgreicher Rennfahrer. Gerade das erste Reichsfahrtmodell, benannt nach der damals beliebten Fernfahrt durch Deutschland, fuhr viele Erfolge, auch mit seinem Konstrukteur im Sattel, ein. Zeitzeuge Siegfried Rauch berichtete unter seinem Pseudonym „fu“ (Fumulus) in „Das Motorrad“, Heft 15/1958, wie der Zschopauer „Rennstall“ damals reiste:

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„…Und ich werde nicht vergessen, wie ich eines Abends auf dem Anhalter Bahnhof in Berlin am Chemnitzer Schnellzug ein paar Männer traf – den Sprung, den Winkler, den Friedrich – und unter ihnen einen langen, dünnen Kerl, mit Wickelgamaschen und Rucksack – den Chefkonstrukteur aus Zschopau. Wir sprachen ein paar Worte zusammen ….. dann noch ein bißchen von der Rennerei im allgemeinen. Wo sie gerade herkamen? Nun, vom Kolberger Bäderrennen, sie hatten gerade ihre Maschinen vorne im Packwagen verstaut (ich glaube, die Worte Renndienstwagen und Rennmonteure gab es damals noch gar nicht, aber große Rucksäcke hatte man). Was sie denn gemacht hätten, da oben an der Ostsee? Nun, recht schön, zu viert die ersten vier Plätze in ihrer Klasse für DKW. Und er selbst? „Nu, dn ärschten“ – meinte der Chefkonstrukteur des nachmals größten Motorradwerkes der Welt in seinem gemütlichen Sächsisch. – Und dann fuhr der Zug ab. …“
Bald wurde es J. S. Rasmussen zu gefährlich, daß der Chefentwickler im Zschopauer Werk nebenbei Rennen fuhr. Er verbot Weber kurzerhand die Teilnahme an Motorradrennen, der Ingenieur ging noch mehrmals unter einem Pseudonym an den Start, gab aber letztendlich die Rennerei auf.
Hermann Weber konnte einige Siege auf DKW verbuchen, der Sieg nach Punkten in der Zweiradklasse bei der Reichsfahrt 1922 begründete nicht zuletzt den guten Ruf der kleinen DKW Maschinen. Die Reichsfahrt beendete er zweimal als Sieger, er siegte zweimal beim Prager Bergrennen und 1924 auf der Berliner Avus. 1925 wurde er deutscher Meister in der Klasse bis 175 cm³, inzwischen auf der wassergekühlten DKW. Ein Konstrukteur, der seine Entwicklung am Wochenende selber im Rennen fuhr und in der folgenden Woche die Verbesserungen aufs Reißbrett brachte, das war bemerkenswert.


Hermann Weber war an allen Entwicklungen des Zschopauer Werkes beteiligt, so auch an der Motorentwicklung für die ersten kleinen DKW Automobile.
Mit der DKW RT 100 schuf Weber ein leichtes Motorrad, das im Gegensatz zu den massenhaft produzierten 98cm³ Motorfahrrädern keine Pedale hatte, sondern Fußrasten und Kickstarter. Hier wurde erstmals das Kürzel RT für Reichstyp verwendet, die Idee von Rasmussen zur Volksmotorisierung mit einer leichten zuverlässigen Maschine, setzte Weber perfekt um.
1940 löste die DKW RT 125 die 98cm³ Modelle ab. Dieses Modell wird von vielen Fachleuten als größter Wurf von Hermann Weber angesehen. Der Dreigang-Blockmotor der aus 123cm³ 4,75 PS leistete, die integrierte 34/45 W Gleichstromlichtmaschine, der leichte stabile Rahmen, die gummigefederte Trapezgabel machten die RT 125 zum Prototyp für eine kleine, leichte Gebrauchsmaschine. Durch den Kriegsbeginn stand bald die Rüstungsproduktion im Vordergrund, auch Weber mußte sich um militärische Entwicklungen kümmern.
Das Kriegsende erlebte er in Zschopau, mußte auf Anweisung der Besatzungsmacht die Demontage des DKW-Werks mitorganisieren. Zum 31.10.1945 erhielt er die Kündigung, arbeitslos wurde er aber nicht, er war weiterhin für die Besatzer tätig. Die Zeit in Zschopau nahm ein jähes Ende, als die sowjetische Militäradministration schließlich im Oktober 1946 auch wichtige Mitarbeiter des DKW-Werkes nach Ischewsk in die UdSSR zwangsverpflichtete. Mit weiteren Ingenieuren ging Weber am 25.10.1946 per Zug auf die Reise Richtung Ischewsk. Dort war er am Aufbau der als Reparationsleistung abtransportierten Anlagen aus Zschopau beteiligt und arbeitet an der Isch 350, die quasi der DKW NZ 350 entsprach. Den Deutschen ging es dabei nicht schlecht, die Sowjets wußten, welch fähige Ingenieure sie verpflichtet hatten. Trotzdem verschlechterte sich Webers Gesundheitszustand. Schließlich verstarb er am 28. Februar 1948, fern der Heimat in Kasan, wo er auch begraben wurde.

Hermann Weber, der geniale Konstrukteur, Rennfahrer, Familienvater war ein ruhiger, besonnener Mann, so berichten es Zeitzeugen. 2021 jährt sich zum hundertsten Mal sein Arbeitsbeginn im Zschopauer Motorenwerk J.S. Rasmussen. Er hatte entscheidenden Anteil am Erfolg der Zweitakter aus Zschopau. Sein Meisterstück, die DKW RT 125, wurde bis 1962 bei MZ in Weiterentwicklungen gebaut und zum meistkopierten Motorrad der Welt. Mit jeder RT 125, jeder DKW, die noch auf der Straße aktiv ist, setzt der Besitzer dem Oberingenieur Hermann Weber aus Zschopau ein Denkmal!
Claus Uhlmann
Claus Uhlmann
