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holzvergaser in der ddr
Holzvergaser - ein Ausweg aus der Energiekrise?
In 79oktan Ausgabe 1/2023 berichten wir ausführlich über die Versuche, einen Weg aus der DDR-Enmergiekrise der achtziger Jahre zu finden. Anachronistische Holzvergaser auf der einen, hochmoderne, das Weltniveau mitbestimmende Biogas-Technologie auf der anderen Seite, das waren die Ergebnisse dieser Initiativen.
Zusätzlich zum Artikel im Heft präsentieren wir hier umfangreiches Bonusmaterial:
Zusätzlich zum Artikel im Heft präsentieren wir hier umfangreiches Bonusmaterial:

Not macht bekanntlich erfinderisch. Viele Menschen waren in den achtziger Jahren mit der Entwicklung in der DDR, besonders mit dem Konsumgüterangebot für die Bevölkerung, sehr unzufrieden. Alle Bereiche der Gesellschaft litten unter einer zunehmenden Material- und Treibstoffknappheit. Jedem betrieblichen Fahrzeug wurde durch die staatlichen Organe nur eine stark beschränkte „bilanzierte“ Menge Benzin oder Diesel zugeteilt. Diese Kraftstoffkontingente (auch „Benzin- oder Diesellimit“ genannt) reichten zur Erfüllung der Transportaufgaben aber nicht aus.
Was wäre der DDR-Mensch ohne seinen Erfindergeist gewesen? Warten auf die „Zeit nach Mittag“ (gemeint war nach dem Ende der Amtszeit Günter Mittags, der als Sekretär des ZK der SED für Wirtschaft und Mitglied des Politbüros der oberste Wirtschaftslenker der DDR war) wollten viele nicht und suchten nach Auswegen. So war es auch im VEB Holzwerke Rinkemühle/Harz. Das Sägewerk besaß noch einen LKW Opel Blitz aus Vorkriegsproduktion mit Benzinmotor. Nach einem Defekt, der zur Stillegung zwang, wurden auf dessen Tankscheckheft Betriebs-PKW betankt, aber das war auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine andere Lösung mußte gefunden werden.
Da erinnerte sich der Fuhrparkleiter Otto Kaufmann an seine Erfahrungen mit einem Holzvergaser-Traktor im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb und daran, daß die Rinkemühle nach dem Krieg LKW und Traktoren mit Holzgas betrieb. Diese Antriebsvariante schien ihm wert, reaktiviert zu werden. Der Fuhrpark der Rinkemühle bestand aus LKW der Typen IFA H6, S4000, W50 und Skoda 706 sowie Barkas B1000, Wartburg 353 und GAZ-24 Wolga. Kaufmann begann, als erstes Fahrzeug einen H6 umzubauen. Dieser LKW war mit einem 6-Zylinder-Diesel-Reihenmotor mit Wirbelkammereinspritzung ausgestattet und für 6 t Nutzlast ausgelegt. Die Rinkemühle bekam diese Fahrzeuge erst, als staatliche Kraftverkehrsbetriebe den H6 aussonderten, sie hatten ihr erstes Leben schon hinter sich.
Was wäre der DDR-Mensch ohne seinen Erfindergeist gewesen? Warten auf die „Zeit nach Mittag“ (gemeint war nach dem Ende der Amtszeit Günter Mittags, der als Sekretär des ZK der SED für Wirtschaft und Mitglied des Politbüros der oberste Wirtschaftslenker der DDR war) wollten viele nicht und suchten nach Auswegen. So war es auch im VEB Holzwerke Rinkemühle/Harz. Das Sägewerk besaß noch einen LKW Opel Blitz aus Vorkriegsproduktion mit Benzinmotor. Nach einem Defekt, der zur Stillegung zwang, wurden auf dessen Tankscheckheft Betriebs-PKW betankt, aber das war auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Eine andere Lösung mußte gefunden werden.
Da erinnerte sich der Fuhrparkleiter Otto Kaufmann an seine Erfahrungen mit einem Holzvergaser-Traktor im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb und daran, daß die Rinkemühle nach dem Krieg LKW und Traktoren mit Holzgas betrieb. Diese Antriebsvariante schien ihm wert, reaktiviert zu werden. Der Fuhrpark der Rinkemühle bestand aus LKW der Typen IFA H6, S4000, W50 und Skoda 706 sowie Barkas B1000, Wartburg 353 und GAZ-24 Wolga. Kaufmann begann, als erstes Fahrzeug einen H6 umzubauen. Dieser LKW war mit einem 6-Zylinder-Diesel-Reihenmotor mit Wirbelkammereinspritzung ausgestattet und für 6 t Nutzlast ausgelegt. Die Rinkemühle bekam diese Fahrzeuge erst, als staatliche Kraftverkehrsbetriebe den H6 aussonderten, sie hatten ihr erstes Leben schon hinter sich.

Es war kein Zufall, daß ausgerechnet ein Sägewerk angesichts nicht ausreichender Diesel- und Benzinzuteilungen den Schritt zurück zur Wiedereinführung von Holzgeneratoren machte. Trockenes Holz als Energieträger, Tankholz genannt, ist in einem Sägewerk als Abfallprodukt stets vorhanden. Otto Kaufmann und seine Mitstreiter wagten sich an den Umbau der Sechszylinder-Dieselmotoren des H6. Das Grundproblem war, daß der Selbstzünder-Motor eine wesentlich höhere Verdichtung als ein Benzinmotor hat. Die frische Luft wird beim Verdichtungstakt so stark komprimiert (Verhältnis ca. 20:1), daß sie sich auf etwa 700 bis 900 Grad Celsius erhitzt. Vor dem oberen Totpunkt wird der flüssige Dieselkraftstoff in den Brennraum eingespritzt, durch die hohe Temperatur kommt es zur Selbstzündung des Gas-Luft-Gemisches. Ein angesaugtes Holzgas-Luft-Gemisch würde bei einer so hohen Temperatur vorzeitig zünden (die Zündtemperatur von Holzgas liegt bei ca. 600 °C) und den Motor schwer beschädigen. Um Holzgas als Brennstoff im H6 zu verwenden, wurde der Diesel- auf Ottomotor umgebaut. Das war eine enorme Herausforderung, eine Bauanleitung gab es nicht. Es begann die Zeit der Recherchen. Materialien wurden mühsam zusammengetragen, Bibliotheken und das Verkehrsmuseum in Dresden besucht und auch Vermessungen an Exponaten vorgenommen. Kaufmanns Sohn und ein Freund errechneten, daß ein Distanzstück von ca. 15 mm Dicke zwischen Zylinderblock und Zylinderkopf montiert werden mußte. Dadurch wurde das Volumen der Brennkammer vergrößert und der Druck reduziert. Da der Dieselmotor eine Wirbelkammereinspritzung besitzt, war die Berechnung für die beiden Studenten nicht einfach, stolz präsentierten sie ihre Berechnungsergebnisse. „Stimmt“, sagte schelmisch Otto Kaufmann und schmunzelte, „ich habe es ausgelitert. Wollte mal sehen, ob wir zum gleichen Ergebnis kommen.“

Der erste große Schritt war getan. Anstelle der Einspritzdüsen kamen Zündkerzen zum Einsatz, passende Vergaser wurden gefunden, eine Umschalteinrichtung zwischen Benzin und Holzgas wurde auch installiert. So stellte man sicher, weiterfahren zu können, falls der Generator den Dienst quittiert, die Holzvergasung stockt oder die Motorleistung nicht ausreicht. Wenn ein LKW, vielleicht noch mit Anhänger, an unübersichtlichen Stellen im Straßenverkehr nicht weiterkommt, kann das gefährlich werden.
Zündverteiler, Vergaser, Luftfilter und Benzinpumpe wurden angebaut und die ersten Startversuche unternommen. Nach einigen Rückschlägen gelang es in unermüdlicher Arbeit, die aufgetretenen Probleme zu lösen. Der erste H6 lief versuchsweise mit Benzin. Allerdings wurde die Leistung des Motors durch den Umbau reduziert. Der zweite Schritt, nämlich die Konstruktion und Herstellung des Holzgasgenerators, konnte beginnen. Dabei stützten sie sich auf alte Unterlagen, insbesondere von der Humboldt-Deutz Motoren AG. Die Größe des Gasgenerators wurde an die berechnete notwendige Gasmenge angepaßt, der Generator wurde geschweißt und hinter dem Fahrerhaus montiert. Vor dem Motorkühler wurde der Gaskühler montiert, unter der Stoßstange fanden Filter und Wasserabscheider ihren Platz.
Die Fahrer mußten vorausschauend arbeiten, damit sie für die Anforderungen gerade im Harz mit seinen Bergstrecken genügend Gas zur Verfügung hatten. Die Holzgas-H6 wurden auch mit Hänger gefahren! Vor Fahrtbeginn wurde das Tankholz entzündet und nachdem es brannte, die Luftzufuhr gedrosselt, damit es vergasen konnte. Bis ausreichend Gas erzeugt wurde, konnte bis zu einer Stunde vergehen. Dann begann die Fahrt. Ehemalige Kraftfahrer berichteten, daß sie vor Berganstiegen oft einen Halt einlegten, um neues Tankholz zuzuführen und den Generator durchrüttelten, um die Gasproduktion zu forcieren. Ist der Generator in Betrieb, erzeugt er nur so viel Gas wie der Motor abzieht. Notfalls hatten die Fahrer die Möglichkeit, auf Benzin umzuschalten, um ein Liegenbleiben des Fahrzeuges zu verhindern. Aus heutiger Sicht klingt das schon abenteuerlich und die Kraftfahrer konnte man mit Heizern einer Dampflok vergleichen.
Nach der erfolgreichen Erprobung des ersten auf Holzgasbetrieb umgerüsteten H6 entschied man sich in der Rinkemühle für den Umbau von zwei weiteren H6 und von einem S4000, dem kleinen Bruder vom H6. Er hatte einen 4-Zylinder Reihenmotor mit Wirbelkammereinspritzung, der 90 PS leistet, und eine Nutzlast von 4 Tonnen. Im Wesentlichen glich der Aufbau des Generators für den S4000 dem des H6, nur etwas kleiner, der benötigten Gasmenge angepaßt. Leider sind von diesem S4000 keine Bilder vorhanden.
Zündverteiler, Vergaser, Luftfilter und Benzinpumpe wurden angebaut und die ersten Startversuche unternommen. Nach einigen Rückschlägen gelang es in unermüdlicher Arbeit, die aufgetretenen Probleme zu lösen. Der erste H6 lief versuchsweise mit Benzin. Allerdings wurde die Leistung des Motors durch den Umbau reduziert. Der zweite Schritt, nämlich die Konstruktion und Herstellung des Holzgasgenerators, konnte beginnen. Dabei stützten sie sich auf alte Unterlagen, insbesondere von der Humboldt-Deutz Motoren AG. Die Größe des Gasgenerators wurde an die berechnete notwendige Gasmenge angepaßt, der Generator wurde geschweißt und hinter dem Fahrerhaus montiert. Vor dem Motorkühler wurde der Gaskühler montiert, unter der Stoßstange fanden Filter und Wasserabscheider ihren Platz.
Die Fahrer mußten vorausschauend arbeiten, damit sie für die Anforderungen gerade im Harz mit seinen Bergstrecken genügend Gas zur Verfügung hatten. Die Holzgas-H6 wurden auch mit Hänger gefahren! Vor Fahrtbeginn wurde das Tankholz entzündet und nachdem es brannte, die Luftzufuhr gedrosselt, damit es vergasen konnte. Bis ausreichend Gas erzeugt wurde, konnte bis zu einer Stunde vergehen. Dann begann die Fahrt. Ehemalige Kraftfahrer berichteten, daß sie vor Berganstiegen oft einen Halt einlegten, um neues Tankholz zuzuführen und den Generator durchrüttelten, um die Gasproduktion zu forcieren. Ist der Generator in Betrieb, erzeugt er nur so viel Gas wie der Motor abzieht. Notfalls hatten die Fahrer die Möglichkeit, auf Benzin umzuschalten, um ein Liegenbleiben des Fahrzeuges zu verhindern. Aus heutiger Sicht klingt das schon abenteuerlich und die Kraftfahrer konnte man mit Heizern einer Dampflok vergleichen.
Nach der erfolgreichen Erprobung des ersten auf Holzgasbetrieb umgerüsteten H6 entschied man sich in der Rinkemühle für den Umbau von zwei weiteren H6 und von einem S4000, dem kleinen Bruder vom H6. Er hatte einen 4-Zylinder Reihenmotor mit Wirbelkammereinspritzung, der 90 PS leistet, und eine Nutzlast von 4 Tonnen. Im Wesentlichen glich der Aufbau des Generators für den S4000 dem des H6, nur etwas kleiner, der benötigten Gasmenge angepaßt. Leider sind von diesem S4000 keine Bilder vorhanden.

Das Team um Kaufmann kam dann noch auf die Idee, einen PKW Wolga M 24 auch auf Holzgasbetrieb umzubauen. Diese Umrüstung war einfacher, da der Wolga einen Benzinmotor besaß. Der Holzgasgenerator konnte nirgendwo anders eingebaut werden als im Kofferraum. Vom Kofferraum führte eine über das Dach verlegte Gasleitung zum Motor. Die Leitung diente gleichzeitig als Gaskühler. Unter der Stoßstange wurde der Staubabscheider/Filter montiert. Das Tankholz mußte in einem kleinen Hänger mitgeführt werden und das Ersatzrad auf dem Dach.
Große Anerkennung bekam das Team Kaufmann von der Kombinatsleitung und den staatlichen Stellen. Der Kombinatsleiter war so begeistert, daß er auch einen Wolga mit Holzvergaser in der Rinkemühle auf Holzgas umrüsten ließ – und den noch in Weiß, gleichsam ein rauchender Schwan mit einer Mülltonne im Kofferraum. Die Präsentation des „neuen“ Wolga mit Holzvergaser fand, wie damals in der DDR üblich, im Beisein der lokalen Politprominenz statt, zugegen waren Vertreter des Rates des Kreises Quedlinburg und der SED-Kreisleitung. Es wurden viele lobende Worte gefunden und man war sehr stolz, technisch anspruchsvolle Wege gemeistert zu haben, die vom Ölimport unabhängiger machten.
Große Anerkennung bekam das Team Kaufmann von der Kombinatsleitung und den staatlichen Stellen. Der Kombinatsleiter war so begeistert, daß er auch einen Wolga mit Holzvergaser in der Rinkemühle auf Holzgas umrüsten ließ – und den noch in Weiß, gleichsam ein rauchender Schwan mit einer Mülltonne im Kofferraum. Die Präsentation des „neuen“ Wolga mit Holzvergaser fand, wie damals in der DDR üblich, im Beisein der lokalen Politprominenz statt, zugegen waren Vertreter des Rates des Kreises Quedlinburg und der SED-Kreisleitung. Es wurden viele lobende Worte gefunden und man war sehr stolz, technisch anspruchsvolle Wege gemeistert zu haben, die vom Ölimport unabhängiger machten.

Unter vorgehaltener Hand haben sich jedoch einige Kritiker über die Holzvergaserautos lustig gemacht: Hier sollte sich in den achtziger Jahren die Überlegenheit des Sozialismus zeigen? Für das Team Kaufmann der Rinkemühle war der Aufbau einer Flotte mit Holzvergasern jedoch eine respektable Meisterleistung, die ohne staatliche Planvorgaben und Investitionsmittel vollbracht wurde. Überliefert ist von ehemaligen Fahrern, daß zu einem Leipziger Messebesuch der parkende Holzgas-Wolga fast von mehr Neugierigen umringt war als die Exponate in den Messehallen. Der Wolga war im Begriff, der Messe die Schau zu stehlen. Das ging gar nicht, vor allem nicht vor den Messebesuchern aus dem „NSW“ (nicht sozialistisches Wirtschaftsgebiet). Staatliche Stellen kamen sich vielleicht düpiert vor und ließen den Wolga mit Polizeieskorte aus der Stadt begleiten. Später soll es ein Verbot gegeben haben, mit den holzgasbetriebenen Wolga nach Leipzig und Berlin zu fahren.