Mit dem Trabant 601 nach nizza

Die Reise unseres Lesers Martin Wundrack nach Italien

2005 redete ich mir ein, wieder einmal ein Ost-Auto zu brauchen. Die Wende lag 15 Jahre zurück, negative Erinnerungen an die DDR-Fahrzeuge verflogen. Die Suche endete mit einem Trabant 601S Universal aus dem Februar 1990. Dieser war noch weitgehend original und von der Substanz erhaltenswert. Nach zwei Jahren intensiver technischer Zuwendung reifte der Gedanke, mit dem Trabant über den Großglockner an die Côte d’Azur nach Nizza zu fahren. Die Idee war geboren. Es wurde eine Auswahl getroffen, was an Ersatzteilen und Notfall-Ausrüstung für ungeplante Reiseunterbrechungen mitgenommen werden sollte. Meine Vorgabe war: Rücksitzbank und Hutablage sollten frei bleiben. Auf den ersten Blick sollte nicht jeder sehen, wie vollgepackt das Auto ist. Anlasser, Keilriemen, Lichtmaschine, Zündspulen, Kerzen und viele, viele Kleinteile fanden mit einem kleinen Zelt, zwei Luftmatratzen, zwei Schlafsäcken und anderen Campingutensilien Platz unter der Rücksitzbank, den Vordersitzen und der Reserveradabdeckung. Den restlichen Platz benötigten wir für Gepäck und ausreichend Vorrat an Zweitaktöl sowie Werkzeug. Empfehlenswert ist es auf einer solchen Tour, eine Sitzschienenverlängerung einzubauen, wenn man über 1,80m groß ist und auch sonst etwas mehr körperlichen Umfang mitbringt. An einem warmen Juliabend des Jahres 2007 ging es los. Die erste Etappe von Berlin nach München bewältigten wir mit dem Autoreisezug. Mit dem Trabant auf deutschen Autobahnen, das macht keinen Spaß.
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Am nächsten Morgen hüllten wir nach einer sehr angenehmen Nacht im 1. Klasse Schlafabteil den Münchner Bahnsteig in blauen Wolken. Die Bayern amüsierte es, sie winkten und freuten sich über den kleinen Stinker aus Berlin. Von München führte die Fahrt zu Freunden nach Brückmühl ins Mangfalltal in der Nähe von Rosenheim. Am nächsten Morgen stand die Fahrt nach Zell am See an. Auch hier kamen wir bei Freunden unter, die extra ihren Besucherparkplatz für uns freihielten.

In der Nähe von Zell am See befindet sich der Stausee in Kaprun, dem wir einen Besuch abstatteten. Auch einige kleine Automuseen lassen sich in der Gegend gut anschauen. Wenn man bei diesen mit einem Trabant vorfährt, hat man sofort gute Karten und Gespräche garantiert. Bei jedem Tankstop wird man intensiv beobachtet und in geschichtliche Anekdoten verwickelt.

Leider ist der Trabant nicht unbedingt die erste Wahl für Fahrten durch das Hochgebirge. Noch dazu beschränkten wir uns meistens auf Landstraßen, um kein Hindernis auf der Autobahn zu werden.
Nun war es soweit. Die Großglockner Hochalpenstraße lag vor uns. Das wollte ich ja schon immer mal mit dem Trabant machen. In der Planungsphase sahen wir uns mit den 2. und 3. Gang die Straße und alle 36 Kehren bis hoch zur Edelweißspitze bezwingen. Das war eine Wunschvorstellung. Der schwer beladene kleine Zwickauer kämpfte sich zum Schluß im 1.Gang die Straße Richtung Himmel. Sogar der ein oder andere Radfahrer hat uns überholt. Den Aufstieg zur Edelweißspitze erledigten wir auch im 1.Gang. Das kreischende Motorengeräusch lockte viele Schaulustige an. Die verfolgten begeistert, wie sich der Trabi die steile Straße nach ober schraubte. Bergauf bereitete keine großen Probleme. Durch die Zwangskühlung des Axialgebläses waren auch 35°C im Schatten mehr eine Tortur für die Insassen als für die „Kraft der zwei Kerzen“.
Nur bergab war es eine Qual für das Auto und seinen Fahrer. 600 cm³ Hubraum, noch dazu als Zweitakter mit Gemischschmierung, sind für dynamisches Motorbremsen weitgehend ungeeignet. Auf die Hilfe der 472 cm² Trommelbremsflächen sollte man nicht lange bauen. Nach maximal 10 km Bergabfahrt war mindestens eine Stunde Pause nötig, um der überhitzten Bremse wieder Verzögerung abzutrotzen. Das Bremsfading der kleinen Trommelbremsen zwingt dazu, sehr vorausschauend zu fahren und es keinesfalls zu übertreiben. 60 km/h sind schon fast freier Fall!
Mit qualmenden Radkästen erreichten wir Heiligenblut und kamen vor der Wand der Parktasche grade so zum stehen. Kein wirklich schönes Gefühl. Punkte für Zwangspausen, um der Bremse Erholung zukommen zu lassen, waren nicht immer leicht zu finden. Meist war das Gefälle so stark, daß das Einlegen eines Gangs nicht den gewünschten Erfolg brachte. Das Anziehen der Handbremse war nicht möglich, da sich die abkühlenden Bremstrommeln verzogen hätten. Alles hatten wir dabei. Nur keine Vorlegekeile. Es fand sich aber ein freundlicher Einheimischer, der uns ein paar Scheite Kaminholz für die Pausen überlies. Leider opferten sich die Radnabenkappen durch die Hitze. Ich hätte sie vorher abbauen sollen. So tropften sie nun wie überbackener Käse von der Felge.

Bei knapp 40°C und einem Sonnenbrand auf dem Kopf überquerten wir die italienische Grenze. Um etwas Zeit gut zu machen, nutzten wir die tollen italienischen Autobahnen. Mit hochoktanigem Benzin im Tank flog der Trabi mit konstant 120 km/h über die glatte Bahn und wurde von den anderen Autofahrern und ihren Mitfahrern fotografiert, gefilmt und mit „Daumen hoch“ bewunken.
Natürlich soff der kleine Zweitakter viel Sprit, bei solchen Geschwindigkeiten. An einer Autobahntankstelle öffnete ich die Haube und war richtig erschrocken. Aus dem Gebläse quoll schwarzer Rauch und es stank sehr verbrannt. Nun war Guter Rat teuer. Habe ich es doch übertrieben? War was durchgebrannt? Kopf- oder Fußdichtung? Der Rauch wurde weniger. Wir tankten voll, mischten das Öl hinzu und versuchten zu starten. Das Auto sprang problemlos an und lief weiter wie der Teufel. Sicher verbrannte durch die hohen Drehzahlen auf der Autobahn, die lange Zeit und die hohen Außentemperaturen der Dreck der letzen Jahrzehnte, der sich am Motor angesammelt hatte. Beim nächten Tanken qualmte nichts mehr und er lief und lief dem Süden entgegen. Trotz originalen Glaskippdaches und geöffneter Fenster zeigte das Innenthermometer über 50°C an. Es machte langsam keinen wirklichen Spaß mehr bei diesen Temperaturen. Nächste Abfahrt: Gardasee. Trabant unter Palmen.
Leider ohne Zimmerbuchung in der Hauptsaision. Doch die Touristeninformation konnte helfen. Schaut man über das Dach des links vom Trabant stehenden silbernen Renault, erkennt man einen weißen Balkon an dem roten Gebäude. Der gehörte zu einem großen Doppelzimmer. Blick direkt auf den See – Glück muß der Mensch haben! Der Trabi knatterte sich zum Tor des Hotels direkt durch die Fußgängerzone. Er konnte sich auf dem Innenhof erholen und sich von anderen Hotelgästen bewundern lassen. Jetzt änderten wir unsere Reiseplanung. Bei 43°C im Schatten begruben wir den Plan weiter bis nach Nizza zu fahren und blieben eine Woche in Torbole am Gardasee. Der Trabi bekam seine wohlverdiente Pause. Bei kleineren Ausflügen vom Hotel in die umliegende Gegend, mußten wir uns zur besten Frühstückszeit durch die mit Bistros und Cafés gesäumte Fußgängerzone zur Hauptstraße vorarbeiten. Oft hielten wir zwischendurch an, weil die Menschen ein Foto machen wollten. Nach dem Umrunden des Sees und einem Venedigbesuch machten wir uns auf den Rückweg, der über Bayern und Thüringen wieder nach Berlin führen sollte. In der Hoffnung, die Steigungen und Gefälle auf der Autobahn seien nicht ganz so extrem wie auf den Landstraßen, wählten wir die Strecke über den Brenner.
Auf den langen Gefällestrecken ließ ich den Trabant einfach rollen. Nicht immer entsprach die Geschwindigkeit den Vorgaben. Ab 100 km/h bremste ich das Auto auf etwa 60 km/h runter und der Rollvorgang begann von Neuem. Einige LKW’s sah man so öfter. Noch immer pannen- und verlustfrei erreichten wir Dinkelsbühl und stellten unseren treuen Zwickauer Begleiter bei Freunden in die Garage.
Bevor es nach Hause in die Hauptstadt zurück ging, gab es einen Abstecher ins August Horch Museum nach Zwickau. Dies gefiel dem Trabi gar nicht. Morgens sprang er schon sehr verhalten an. Am Ende stellte sich eine defekte Zündspule as Verursacher heraus.
Alles in allem, war es eine tolle Tour und außer einer Zündspule lief der kleine Zwickauer völlig problemlos.