Transkarpatien in der Ukraine

Eine Offroad-Tour mit UAZ, Lada und anderen...

Reisebericht: Carsten Braun

Fernreisen abseits der ausgetretenen Touristenpfade umweht immer ein Hauch Abenteuer. So erlebten wir auf unserer Russlandreise 2017 das ein oder andere kleine Abenteuer. Einmal mit dem Fieber „Abenteuerreise“ infiziert, kommt man davon wohl nicht mehr los. Die Urlaubsplanung für das Jahr 2019 sah eigentlich eine Rundreise um die Ostsee vor. Über Schweden und Norwegen bis zum Nordkap und von dort über Russland und das Baltikum zurück in die sächsische Heimat. „Mit Ostmobil auf Tour“, so war der Plan. Doch aufgrund dienstlicher Verpflichtungen konnte ich leider an dieser Tour nicht teilnehmen. Als Alternative, die nur eine Woche Zeit in Anspruch nehmen sollte, bot sich eine Offroad-Tour durch die Karpaten in der Ostukraine an. Eine bunte Reisegruppe unterschiedlicher Geländewagen, Teilnehmer aus Österreich, Deutschland und Rumänien versprachen Abenteuer. Schon allein die Aussicht, mehrere Tage abseits asphaltierter Straßen unterwegs zu sein und die Geländewagen entsprechend ihrer Bestimmung zu nutzen, ließ ein Gefühl von Abenteuer aufkommen. Das Ganze in der Ukraine! Klar, ich bin dabei. Die Anreise erfolgte per Achse bis zur ukrainischen Grenze auf eigene Faust. Ich reise bequem in meinem Jeep Grand Cherokee, meine Abenteuergefährten Stanley und Toni im UAZ 3151. Komplettiert werden wir von Martin und Toni im UAZ 452. Nach Erledigung umfangreicher Einkäufe im heimischen Supermarkt starten wir an einem Donnerstagnachmittag Richtung Südwesten. Über den Erzgebirgskamm Richtung Prag, als Tagesziel steht die Gegend kurz vor der slowakischen Grenze auf dem Plan. Die beiden UAZ führen die kleine Kolonne an. Mit einer Reisegeschwindigkeit von 75km/h „eilen“ wir durch Tschechien. Die UAZ-Besatzungen erleben durch dröhnende Motoren und Zugluft im Fahrzeug eine eher kurzweilige Fahrt. Im klimatisierten Grand Cherokee mit eingeschaltetem Tempomat macht sich allerdings Langeweile breit, so daß schon kurz nach Prag sämtlicher Reiseproviant verzehrt ist. Gegen Abend erreichen wir einen Rasthof in Střílky. Zwischen Fernverkehrs-LKW schlagen wir unser Nachtlager auf.
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Unser nächstes Ziel ist ein Campingplatz in Levoča (Leutschau) im Osten der Slowakei. Kurz nach dem Start zwang der UAZ 3151 zum Halt. Technischer Dienst während der Benutzung, die Bremsbacken am linken Hinterrad waren doch etwas zu straff eingestellt. Stanley hat alles nötige an Bord, um dieses kleine Problemchen zu lösen. Die fröhliche Bremsenschrauberei wird von musikalisch von Toni untermalt. Jetzt erschließt sich, warum man auf einer Reise in die Ukraine ein Akkordeon dabei hat! In Ružomberok (Rosenberg) halten wir an einer Tankstelle um Kraftstoff für Mensch und Maschine aufzunehmen. Hier zeigt sich, dass der UAZ von Stanley nur noch im zweiten Gang bewegt werden kann. Schalten ist nicht mehr möglich. Nach kurzer Beratung kommt eigentlich nur die Schaltgabel als Ursache in Frage. Das Bodenblech, Getriebedeckel und Schalthebel sind schnell demontiert, die Schaltgabel gerichtet und nach gut zwei Stunden ist der UAZ wieder mit Bordmitteln in fahrbereitem Zustand. Am späten Nachmittag treffen wir auf dem Campingplatz in Levoča ein. Hier treffen wir weitere Mitreisende. Marcus mit seinem Sohn Emil und Derek, die das Abenteuer Ukraine jeweils im Lada 4×4 bestreiten wollen.
Am Samstag wollen wir uns mit Romi, unserem ukrainischen Reiseführer an der slowakisch-ukrainischen Grenze treffen. Die Grenzabfertigung zur Einreise in die Ukraine wirkt im ersten Moment respekteinflößend. Kalaschnikowbehangene Grenzsoldaten und Zollbeamte kontrollieren Papiere und Autos. Ungläubige Blicke ob der beiden UAZ. „Warum fahrt ihr mit SOLCHEN Autos? Und ausgerechnet in die Ukraine?“ Die Ukrainer schütteln belustigt mit den Köpfen. Nach gut zwei Stunden sind wir also angekommen. Romi wartet bereits auf uns und wir legen die restlichen gut 100km bis zum Hotel in Mukachewo zurück.

Willkommen in einem anderen Land

Mit Passieren der Grenze ändert sich fast alles. Der Straßenbelag, in der Slowakei noch auf europäischem Standard, gleicht einem Flickenteppich mit großen oder noch größeren Schlaglöchern. Wir durchfahren Uschgorod (Ungwar) und erreichen nach gut zwei Stunden unser Hotel in Mukatschewo. Hier sind die anderen Mitreisenden schon eingetroffen. Zwei weitere Lada Niva, ein Nissan Patrol und ein Jeep Cherokee komplettieren nun die Reisegruppe. Nach einem üppigen Abendessen und dem ein oder anderen Bier übernachten wir vorerst die letzte Nacht in einem Bett.
Am nächsten Morgen geht´s los. Volltanken, Proviant einkaufen und nach kurzer Fahrt führt uns der eingeschlagene Weg durch Wälder immer weiter die Berge hinauf. Dort erwartet uns das erste Nadelöhr. Nach heftigen Regenfällen sind die Wege aufgeweicht, der Lehmboden gefällt schmierseifenähnlicher Bodenhaftung. In einer Senke geht nicht mehr viel. Ein Auto nach dem anderen muss per Seilwinde durch den Schlamm gezogen werden. Alle Autos? Nein, die beiden UAZ wühlen sich durch, wo moderne Geländewagen mit Differentialsperren steckenbleiben. Bodenfreiheit ist eben durch nichts zu ersetzen. Gegen Abend finden wir einen angenehmen Lagerplatz, der Tag klingt am Lagerfeuer mit vielen neuen und überwältigenden Eindrücken aus. Die nächsten zwei Tage sind geprägt durch tiefe Wälder, atemberaubende Ausblicke, Schlamm und Flußdurchfahrten. Kleine Dörfer mit alten Blockhäusern und freundlichen, aufgeschlossenen Menschen verströmen den Charme einer in Deutschland längst vergangenen Zeit.

Morgens halb Zehn in der Ukraine

Irgendwann sind die Vorräte aufgebraucht und wir halten an einem kleinen Laden, Magazin auf ukrainisch. Von Spielzeug, Angelausrüstungen, hausgemachter Wurst und Käse, über Obst und Gemüse bis zum Wodka gibt es hier alles zu kaufen, was man in dieser abgelegenen Region so braucht. Oder womit sich das Leben hier etwas erträglicher gestalten läßt. Die Runde der Dorfältesten sitzt derweil im Schatten des Magazins in geselliger Runde, wichtige Gespräche oder Beschlüsse müssen wohl mit Wodka begossen werden. Es dauert nicht lang und unsere Anwesenheit wird freundlich begrüßt. Einen Augenblick später sitzen wir in dieser Runde, die Beifahrer werden mit Wodka ausgestattet und das Zusammentreffen entwickelt sich zu einer, sagen wir, lustigen Runde. Zum Wohl!
Weiter geht´s durch herrliche Landschaften. Das mittlerweile übliche Prozedere, steckengebliebene Fahrzeuge zu bergen, wiederholt sich mehr als einmal. In einer solchen Zwangspause, Chris im Cherokee hatte sich festgefahren, ertönte im Unterholz der typische Klang eines V8-Motors. Tatsächlich! Ein GAZ 66 mit vollbesetzter Ladefläche, die Damen und Herren sind auf dem Weg zur Blaubeerernte, erscheint und der Fahrer lässt es sich natürlich nicht nehmen, den gestrandeten Jeep aus seiner misslichen Lage zu befreien. Ein Bergeseil verbindet russisches und amerikanisches Fahrzeug. Der GAZ, und vor allem sein Fahrer, geben alles, um den Cherokee zu befreien. Diese Bergungsaktion wird nicht nur vom Brüllen des V8-Motors untermalt, sondern auch von wodkagetränkter Fröhlichkeit auf der Ladefläche! Verrückt!
Der letzte Tag im Wald sollte der härteste werden. Nach Besichtigung eines Bunkers aus Kriegszeiten war die Fahrt ins Hotel geplant. „Nur über den Berg und schon sind wir da“, so oder so ähnlich. Der Weg führte tatsächlich steil bergauf, tief ausgewaschen eine Herausforderung für Fahrer und Fahrzeug, die Svens Lada Niva, bzw. dessen Hinterachse nicht übersteht. Bei voller Verschränkung bergan kündet ein knirschendes Geräusch von Problemen. Beide hintere Steckachsen unterlagen dem Drehmoment des Ladas. Knack. Für den Rest des Tages geht´s mit Frontantrieb weiter. Wenig später erreicht uns über Funk aus dem vorderen Teil der Kolonne die Meldung, dass eine verletzte Person Hilfe braucht. Durch unglückliche Umstände rollte ein Niva über Marions Fuß. An eine Weiterfahrt ins Hotel war so nicht zu denken. Martin und Toni sprangen als Sanitäter ein. Der UAZ 452 der beiden war im früheren Leben Sanitätskraftwagen in der tschechischen Armee. Beide Tragen noch vorhanden. So wurde die Verletzte im UAZ ins nächste Krankenhaus gebracht. Am späten Abend fanden sich dann alle wieder im Hotel ein. Abendessen, Duschen und ein letzter geselliger Abend zusammen. Am nächsten Morgen treten wir die Heimreise an, die bis auf einen kleinen Zwischenfall reibungslos abgespult werden konnte. Ausgerechnet im einzigen Autobahntunnel auf dieser Reise bleibt Stanleys UAZ stehen. Am Seil aus der Gefahrenzone geschleppt zeigt sich, dass ein Auto ohne Sprit eben nicht fährt. Im Kanister findet sich noch genügend Treibstoff, um bis zur nächsten Tankstelle zu kommen. Nach insgesamt 2700km, davon 380km in teils schwerem Gelände erreichen wir erschöpft aber glücklich die Heimat.