Trabant 601

Trabant 601 Universal
Ein alter Kombi sollte es sein. Oder besser gesagt: Ein möglichst alter 601 Universal. Nachdem ein Kombi 601 de luxe aus dem Jahr 1970 restauriert war, stand die Idee im Raum, daß es doch auch noch ältere Exemplare geben müßte. Beim Kombi gar nicht so einfach. Nicht nur, daß die Stückzahlen insgesamt recht klein waren. Kombis wurden, anders als viele Limousinen, auch zu DDR-Zeiten oft verschlissen. Die Hoffnung, ein Auto aus den ersten Produktionswochen des 601 Universal im Herbst 1965 zu finden, war gar nicht erst aufgekommen.
Galerie
Voriger
Nächster

Die Besichtigung anno 2005 förderte ein Fahrzeug zutage, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. Im feuchten Keller eines Gasthofes irgendwo in Sachsen stand es auf erdigem Boden und wartete darauf, entweder verschrottet oder wiederbelebt zu werden. Großer Pluspunkt: Bis auf Kleinigkeiten war der Wagen komplett und vor allem: Er war vor 1989 nicht den sonst üblichen Modernisierungsorgien anheimgefallen. Viele Trabant 601 wurden immer wieder auf den aktuellen Stand der Trabant-Technik gebracht, um im Alltag die Jahrzehnte zu überdauern. Das war hier anders. Die entscheidenden Baugruppen und Teile entsprachen, wenn auch stark verschlissen, dem Bauzeitraum.
Und das ist viel wert, denn nicht alles ist so einfach rückrüstbar. Keinen Zweifel gab es allerdings daran, daß vom Blech nicht mehr viel zu erwarten war. Und das sollte sich bestätigen.
Bei der Demontage zeigte sich unter der pastellblauen Duroplast-Außenhaut das nackte Grauen. An keiner relevanten Stelle war an der Bodengruppe noch irgendetwas vorhanden, worauf man hätte aufbauen können. Das Bodenblech war rundum weggefault, ebenso die Heckschürze, die Schweißnähte entlang der Trägergruppe – kurz: Da war nichts mehr zu retten.
Bei der Demontage zeigte sich unter der pastellblauen Duroplast-Außenhaut das nackte Grauen. An keiner relevanten Stelle war an der Bodengruppe noch irgendetwas vorhanden, worauf man hätte aufbauen können. Das Bodenblech war rundum weggefault, ebenso die Heckschürze, die Schweißnähte entlang der Trägergruppe – kurz: Da war nichts mehr zu retten.
Also Schrott oder die ganz große Therapie. Die Entscheidung fiel für letzteres, aber klar war, daß hier eine neue Bodengruppe her mußte. Mit Flickschusterei war es nicht getan. Also über allerlei Wege ein Bodenblech für einen 601 mit blattgefederter Hinterachse beschafft. Es fand sich eins im Vogtland. Das zerlegte Stahlskelett, das mehr ein Rostskelett war, wurde zum befreundeten Karosseriebaubetrieb transportiert – für die heimische Garagenwerkstatt war das hier eine Nummer zu groß, es sollte schließlich ordentlich werden. Und originalgetreu. Anständige Nähte, saubere Punktschweißverbindungen, keine Klecksschweißungen. Die Karosse verschwand erstmal im Hochregal, dann begann die Montage der neuen Bodengruppe aus den gestrahlten und grundierten Neuteilen.

Bodenblech, Trägerprofile, Achsglocken – alles fand seinen Platz. Nach Fertigstellung dieser Basis ging es an den Überbau, dessen rostige Plattform nur noch für den Schrott taugte. Irgendwann waren die Karosserie und der neue Boden soweit vorbereitet, daß aus beidem wieder ein Auto gefügt werden konnte. An einigen Stellen mußte improvisiert werden, da neue Blechteile aus den achtziger Jahren nicht unbedingt zum Jahrgang 1966 passen. Manches wurde angepaßt und geändert, anderes aus der Altsubstanz repariert und wiederverwendet. Am Ende stand ein Stahlskelett, das dem Originalbaujahr entsprach.
Zurück in der Heimat, wurde das Gerippe final entlackt, anschließend grundiert und (aus Korrosionsschutzgründen abweichend vom Werksoriginal) lackiert. Dann folgte die Beplankung mit den originalen Duroplaststeilen – mit Ausnahme eines Hinterkotflügels, der ersetzt werden mußte. Der Weg war frei in die Lackierkabine, die in Eigenregie für dieses Projekt genutzt werden durfte. Am 45. Jahrestag der Erstzulassung, also am 19.12.2011, stand der Wagen in neuem pastellblauen Lack bereit für die Montage. Es folgte eine gründliche Hohlraumkonservierung mit Korrosionsschutzfett, die neuem Rost Paroli bieten sollte. Motor und Getriebe waren zwischenzeitlich regeneriert, die Innenausstattung mit Originalmaterial aus Spendersitzen beim Sattler instandgesetzt. Der Kabelbaum war nach einer Reinigung wiederverwendbar, Bodenteppiche wurden nach Vorlage neu gesattlert.
Wenige Monate später war wieder ein Auto draus geworden. Zwischen Kauf und Wiederzulassung waren sechs Jahre vergangen, der Kombi, den die meisten wohl verschrottet hätten, hat gegen alle Vernunft überlebt und führt nun ein zweites Leben als Oldtimer. Zu sehen ist der Wagen in 79OKTAN Ausgabe 1/2021.