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Wartburg 353

Wartburg 353
22 Jahre lang lief im VEB Automobilwerk Eisenach ab 1966 der Wartburg 353 vom Band. 79OKTAN beschäftigt sich in zwei Teilen ausfĂźhrlich mit der Entwicklungsgeschichte dieses Mittelklassewagens mit wassergekĂźhltem Dreizylinder-Zweitaktmotor. Als ein Erbe des letzten DKW-Wagens, des F9, konnte der Wartburg 353 dessen Gene, nämlich den Dreizylindermotor und die Rahmenbauweise bis zuletzt nicht verleugnen. GrĂśĂe und Bauart wiesen den Wartburg 353 in der DDR als Mittelklassemodell aus. Als geräumiger ViertĂźrer war er ein begehrter Wagen in einem Land, dessen BĂźrger zum grĂśĂten Teil mit zweitĂźrigen Kleinwagen der Marke Trabant unterwegs waren.
Die Entstehungsgeschichte des Wartburg 353 und ein Portrait seines Gestalters Hans Fleischer lesen Sie in 79OKTAN, Ausgabe 2/2018. Teil 2 der Geschichte des Wartburg 353 finden Sie in 79OKTAN, Ausgabe 1/2020. DarĂźber hinaus geben wir Ihnen hier einen Einblick in besonders exklusives und nie zuvor verĂśffentlichtes Material.
Kontroverse zur Urheberschaft
Seit mehr als 50 Jahren wird die gestalterische Mitwirkung des Formgestalters Karl Clauss Dietel am Grundentwurf des Wartburg 353 unkorrekt dargestellt. Dabei entsteht bei Nichteingeweihten der Eindruck, die gestalterische Mitwirkung sei die Gestaltung des Wartburg 353 selbst. Zahlreiche VerÜffentlichungen in Presse- und Fernsehbeiträgen tragen dazu bei, daà diese Falschaussage immer und immer wieder verbreitet wurde und wird. Aus diesem Grund verÜffentlichen wir an dieser Stelle erstmals Briefe und interne Dokumente des VEB Automobilwerk Eisenach (AWE). Mit der VerÜffentlichung stellen wir belastbare Fakten zur tatsächlichen Gestaltung des Wartburg 353 zur Verfßgung. Leider lehnt Professor Dietel seit 15 Jahren ein sachliches Gespräch auf Basis dieser Dokumente und mit noch lebenden Zeitzeugen ab.
Das letzte Gesprächsangebot Ăźbermittelte Lars Leonhardt als 79OKTAN-Redakteur und Leiter des Kuratoriums der Stiftung Automobile Welt Eisenach persĂśnlich anläĂlich einer Veranstaltung im SchloĂ Pillnitz am 26. Juni 2020 an Professor Dietel. Leider nahm dieser das Angebot erneut nicht an. Neben Briefen, Zeichnungen und Gesprächsprotokollen liegen TagebĂźcher und tagesgenaue Stundennachweise Hans Fleischers vor. Mit der VerĂśffentlichung einer Auswahl an Dokumenten mĂśchte das 79OKTAN-Kollektiv die Leistungen Professor Dietels, die auĂerhalb der Gestaltung des Wartburg 353 stehen, in keiner Weise abwerten oder reduzieren. Wir danken der Stiftung Automobile Welt Eisenach fĂźr die UnterstĂźtzung und die Bereitstellung der Unterlagen.
Das letzte Gesprächsangebot Ăźbermittelte Lars Leonhardt als 79OKTAN-Redakteur und Leiter des Kuratoriums der Stiftung Automobile Welt Eisenach persĂśnlich anläĂlich einer Veranstaltung im SchloĂ Pillnitz am 26. Juni 2020 an Professor Dietel. Leider nahm dieser das Angebot erneut nicht an. Neben Briefen, Zeichnungen und Gesprächsprotokollen liegen TagebĂźcher und tagesgenaue Stundennachweise Hans Fleischers vor. Mit der VerĂśffentlichung einer Auswahl an Dokumenten mĂśchte das 79OKTAN-Kollektiv die Leistungen Professor Dietels, die auĂerhalb der Gestaltung des Wartburg 353 stehen, in keiner Weise abwerten oder reduzieren. Wir danken der Stiftung Automobile Welt Eisenach fĂźr die UnterstĂźtzung und die Bereitstellung der Unterlagen.

Clauss Dietel erstellte zwei EntwĂźrfe fĂźr den späteren Wartburg 353. Er arbeitete hierzu ab August 1962 zeitweise in der AWE-Karosseriekonstruktion mit. Seine EntwĂźrfe wurden aber am 22. September 1962 nicht ausgewählt. Ebenso nicht der Entwurf von Wilhelm Schupp, dem damaligen Vorgesetzten Clauss Dietels im Wissenschaftlich Technischen Zentrum des Automobilbaus (WTZ) der DDR in Karl-Marx-Stadt. Zwei von fĂźnf EntwĂźrfen Hans Fleischers wurden fĂźr die weitere Bearbeitung ausgewählt, Entwurf Nr. 4 wurde der spätere Wartburg 353. Diesen vollendete Hans Fleischer am 31. Juli 1962, zwei Wochen vor dem Beginn der Mitarbeit Karl Clauss Dietels im AWE am 13. August 1962. Nach dem Serienanlauf des Wagens am 1. Juli 1966 stellte Clauss Dietel im April 1967 einen Antrag an das AWE, den neuen Wartburg auf der 6. Deutschen Kunstaustellung auszustellen. HierfĂźr war es erforderlich, den Gestalter zu benennen, wofĂźr er selbst Hans Fleischer vorschlug. AWE-Vertriebsleiter Steffen und Werbe-Beauftragter SchĂźtrumpf lehnten die Namensnennung jedoch ab und schlugen vor, ein „Kollektiv des VEB AWE“ zu nennen. Dies war aber fĂźr eine Kunstausstellung unĂźblich und unmĂśglich. Trotz des Hinweises Karl Clauss Dietels, daĂ eine solche Entscheidung eine Ausstellung gefährden kĂśnnte, beharrte AWE auf dem Standpunkt. Der Wartburg 353 wurde daher nicht auf der Kunstausstellung ausgestellt.
Auf Seite 2 im 2. Absatz „…Kollege Fleischer im besonderen dafĂźr angeben und wir -Kollege Rudolph und ich- lediglich als gestalterische Mitarbeiter benannt wĂźrden…“
Die Ausstellung wird aus Werbezwecken befĂźrwortet. Es wird angemerkt, das die Gestaltung als Kollektivleistung des VEB AWE erfolgen sollte.
Die Ausstellung wird befĂźrwortet, aber ohne die Angabe von Personen.
„…Die Erwähnung unserer Namen, als Mitarbeiter sowieso nur zweitrangig, wäre relativ uninteressant…“
Der NEUE WARTBURG wird nur als Kollektivleistung ausgestellt.

Hans Fleischer erfuhr von diesen Vorgängen erstmalig durch Karl Clauss Dietel auf einer Aussprache des Fachausschusses Aufbauten in Berlin am 6. Dezember 1967. Daraufhin beschwerte er sich persÜnlich beim AWE-Betriebsdirektor Wilhelm Hellbach in dessen Sprechstunde am 13. Dezember 1967. Der Betriebsdirektor leitete AWE-interne Untersuchungen zur Beschwerde Hans Fleischers ein. Diese bestätigten die Urheberschaft Hans Fleischers am Wartburg 353. Karl Clauss Dietel bedauerte ausdrßcklich die Nichtnennung Hans Fleischers durch AWE und machte dies auch in einem persÜnlichen Brief zum Jahresende 1967 an Hans Fleischer deutlich.
Dieser Brief wurde am 13.Dezember 1967 innerhalb der Sprechstunde des Betriebsdirektors persĂśnlich an Wilhelm Hellbach Ăźbergeben
AbkĂźrzungen:
BD=Betriebsdirektor, FL=Hans Fleischer
Die Ausstellung wird befĂźrwortet, aber ohne die Angabe von Personen.
„…wir haben von unserer seite aus ständig unsere gemeinsame arbeit mit ihnen nur als mitarbeit bezeichnet. anders kann es ja wohl auch gar nicht sein…“
Dankwart Fehr bestätigt die Richtigkeit der Angaben von Hans Fleischer im Brief vom 12. Dezember 1967.
Betriebsdirektor Hellbach beauftragt die VerÜffentlichung einer Richtigstellung in der Kraftfahrzeugtechnik. Die VerÜffentlichung erschien in der Ausgabe März 1968
„…Es steht fest, dass die gestalterische Konzeption des PKW 353 in erster Linie Ihnen zu verdanken ist…“

Nach der VerĂśffentlichung in der Märzausgabe 1968 der Fachzeitschrift „Kraftfahrzeugtechnik“ (KFT) erhielt Hans Fleischer einen herzlichen Brief seines Kollegen Otto Seidan. Er antwortete ihm ebenso freundschaftlich.
Otto Seidan, Formgestalter des Trabant P50, gratulierte Hans Fleischer zur VerÜffentlichung in der KFT Kraftfahrzeugtechnik März 1968
Im Juni 1977 verĂśffentlichte die „Freie Presse“, Zeitung der SED-Bezirksleitung des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, einen Bericht Ăźber den inzwischen freischaffenden Formgestalter Karl Clauss Dietel. Darin ging es auch um den Wartburg 353. Im November 1977 verĂśffentlichte auch das populäre Magazin „Eulenspiegel“ einen Bericht Ăźber Karl Clauss Dietel. Hans Fleischer versuchte in Briefen, gegen die getroffenen Aussagen vorzugehen.

Im April 1985 erĂśffnete in Karl-Marx-Stadt die Ausstellung „Suche nach Gestalt unserer Dinge“. Der Formgestalter Horst Hartmann informierte Hans Fleischer telefonisch Ăźber die dort getroffenen Aussagen zur Gestaltung des Wartburg 353. Im Juli 1985 wurden diese Aussagen in einem Beitrag des DDR-Fernsehens „Kulturmagazin“ wiederholt. Hans Fleischer und der AWE-Betriebsdirektor Dankward Fehr versuchten, sich gegen diese Darstellung zur Wehr zu setzen.
Der Betriebsdirektor beschwert sich mit aller Deutlichkeit Ăźber die Aussagen Clauss Dietels im Fernsehen: „Wir sind darĂźber hinaus auch in der Lage und erforderlichenfalls auch bereit, mit Hilfe der uns noch vorliegenden Gestaltungsvorschläge des Herrn Dietel nachzuweisen, welch verschwindend geringer Anteil seiner Vorschläge serienwirksam geworden ist. Eine VerĂśffentlichung dieser Unterlagen läge sicher nicht im Interesse des Herrn Dietel.“
„…Gen. (Genosse) Dietel hat uns gebeten, ihm eine Kopie Ihres Briefes zuzuschicken. Wir sehen keinen Grund, dieser Bitte nicht nachzukommen.“
Horst Hartmann informiert Hans Fleischer Ăźber die Vorgänge auf der Ausstellung „Suche nach Gestalt unserer Dinge“, Karl-Marx-Stadt, 27. April – 31. Juli 1985

Hans Fleischer erkrankte im Sommer 1985 und erlag am 13. April 1986 seiner Krebserkrankung. Er konnte sich gegen die andauernden Falschaussagen bis zum heutigen Tage nicht mehr persĂśnlich zur Wehr setzen.
In Gedenken an den bescheidenen, talentierten und begabten Formgestalter der Eisenacher Automobile.
Lars Leonhardt
Redaktion 79OKTAN
In Gedenken an den bescheidenen, talentierten und begabten Formgestalter der Eisenacher Automobile.
Lars Leonhardt
Redaktion 79OKTAN
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