Ein Windgesicht wird 80

Urgestein des Wintertreffens Gerhard Fenske zum Geburtstag

Text & alle Fotos auf dieser Seite: Claus Uhlmann

Seit 1971 wird das Städtchen Augustusburg nahe Chemnitz im Januar von „verrückten Motorradfahrern“ in Besitz genommen, wie vor vielen Jahren Bürgermeisterin der Stadt sagte. Im Laufe der Jahre entwickelte sich das Wintertreffen zu einem Anziehungspunkt für Motorradfans. Zuschauer erscheinen zahlreich, um gepflegte Oldtimer oder tolle Eigenbauten zu bestaunen. Und es finden sich immer die Fahrensleute und Windgesichter, die dem Motorrad treu bleiben, oft mit Seitenwagen, und allen Wetterunbilden trotzen.

Einer dieser Leute ist Gerhard Fenske. Er hat nur ein Treffen verpaßt, die Nr. 48. Das war allerdings nur eine Miniaturausgabe, da es offiziell wegen der Schneemassen auf den Dächern der Burg abgesagt wurde. Das erste Treffen 1971 bestritt der Leipziger auf einem Simson SR 2, auch mit seinem D-Rad R/05 samt Stoye Seitenwagen von 1927 kam er schon auf die Burg. Das Gespann hat mittlerweile seinen Platz im Museum gefunden, die vielen Winterfahrten scheinen spurlos an dem alten Eisen vorüber gegangen zu sein, der sorgfältigen Reinigung nach jedem Wintertreffen sei Dank. Ein D-Rad war 1983 der Grund für ihn, mit seinem Trabant und Anhänger anzureisen. Das frisch restaurierte Motorrad sollte nicht dem Winterwetter und den gesalzenen Straßen ausgesetzt werden. Zu selten waren schon damals diese Maschinen. Ein paar Ehrenrunden auf dem Burghof genügten aber für einen Ehrenpreis. Dabei brach bei einer Berührung mit den Torbogen eine Zacke aus dem Stoye-Emblem am Seitenwagen. Die Ecke fand Gerhard wieder, leimte sie zuhause mit Schuhsohlenkleber wieder an. In den anderen Jahren kam Gerhard immer mit seinen Freunden aus Leipzig per Achse zur Burg. Zum letzten Treffen 2020 nutzte er eine MZ ETZ 250 mit Lastbeiwagen. Übernachtet wurde in der Jugendherberge in einem Zimmer mit zwölf Betten, dort wohnten die alten Hasen zum Treffen schon immer, das Zelten rund um die Burg wurde erst in den neunziger Jahren möglich.

Nach dem Mauerfall wandelte sich das Teilnehmerfeld. Die Motorradfahrer, die den Wetterunbilden trotzen und oft mehrere hundert Kilometer auf Achse zurück legen, sind heute in der Minderheit. „Biker“ mit skurillen Eigenbauten, die nur die kurze Fahrt auf den Burgberg auf eigener Achse zurücklegen sorgen für Aufsehen. Oder Gestalten, die durch mehr oder weniger witziges Auftreten auffallen wollen. Ganz anders ist Gerhard Fenske. Eine schwarze Lederkluft und seine blaue Bommelmütze, die bisher alle Treffen miterlebt hat, sind seine äußeren Merkmale. Nur wer mit ihm ins Gespräch kommt, erfährt mehr über den bescheidenen Mann, der jahrelang als Berufsschullehrer arbeitete. Schnell bekommt der Zuhörer mit, daß da ein Kerl mit Benzin im Blut spricht.
Über das Jahr 1987 zum Beispiel, als seine Maschine erst nach 40-50 Versuchen ansprang und er bei minus 24°C in Leipzig losfuhr. Zweimal ging ihm die Straße aus und er landete brusthoch im Schnee. Das Motorrad schaufelte er mit den Händen aus und erreichte glücklich die Burg. Als 1996 ein Wechsel der Arbeitsstelle anstand, bat sich der gelernte Mechaniker aus, immer Anfang Januar Urlaub zu bekommen, was ihm auch genehmigt wurde. 2002 fand das Wintertreffen am 12. Januar statt, Gerhards 60. Geburtstag. Da das Treffen für ihn immer oberste Priorität hatte und hat, feierte er diesen Tag mit seinen Motorradfreunden auf der Burg. Die Familie zeigte dafür Verständnis, die private Feier wurde nachgeholt. Nun hofft Gerhard, kürzlich 80 Jahre alt geworden, daß nach zweimaliger Absage wegen der Covid-19-Lage im Jahr 2023 die 50. Auflage des Wintertreffens auf der Augustusburg stattfinden wird. Dann wird er wieder mit seinen Gespannfreunden aus Leipzig zur Burg fahren, vorzugsweise bei richtigem Winterwetter mit viel Schnee. Alle seine Motorradfreunde in Nah und Fern wünschen ihm viel Gesundheit und Glück fürs neue Lebensjahr.
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