Exposé:
Von Blendern, Siegern, Sechszylindern ...
Das staatliche DDR-Rennkollektiv 1951 – 1957
Was auf den ersten Blick unglaublich klingt, ist trotzdem wahr. Vor über siebzig Jahren begann das
1951 in Berlin-Johannisthal gegründete DAMW-Rennkollektiv seinen Siegeszug in der Formel II und
bei Sportwagenrennen. Schon im Folgejahr war es innerhalb der DDR nahezu unschlagbar und
international konkurrenzfähig. Ab 1955 besaß die inzwischen in Eisenach beheimatete Rennabteilung
die schnellsten 1,5-Liter-Rennsportwagen in Europa – nur noch Porsche war ein ernst zu nehmender
Gegner ...
Die vorliegende Dokumentation beschreibt auf über 330 Seiten in bisher nicht erfolgter Ausführlichkeit
die Entstehung, die Entwicklung und die Auflösung des zum Teil mit nebulösen Mythen behafteten
Phänomens der ostdeutschen Motorsportgeschichte.
Ausgehend von der Situation nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wird der Neubeginn des
Automobilrennsports in der SBZ bzw. DDR dargestellt. Sehr ausführlich werden die zum Teil
grotesken Umstände der Gründung des Rennkollektivs 1950 in Berlin-Johannistal behandelt und
dokumentiert. Die weiteren Entwicklungsschritte bis hin zum EMW/AWE-Rennkollektiv in Eisenach
werden mit einer jährlichen Analyse verallgemeinert und für den Leser damit plausibel
nachvollziehbar. Dabei findet auch die politische Instrumentalisierung des Rennsports im
angespannten Verhältnis der beiden deutschen Staaten ihren Niederschlag.
Der eigentliche Aufstieg zu einem international beachteten Rennstall von 1951 bis 1956 wird in Form
einer fortlaufenden Chronik dargestellt. Jeder der 208 Einsätze bei insgesamt 60
Rennveranstaltungen wird mit dem Hintergrund der jeweiligen nationalen oder internationalen
Konkurrenzbedingungen beschrieben und mit der Abbildung der Rennprogramme, mit Fotos und
Tabellen illustriert. Die in dieser Zeit befahrenen Rennstrecken werden an den passenden Stellen in
Erinnerung gerufen. Die wörtlich übernommenen Rennberichte aus den zeitgenössischen
Veröffentlichungen machen dabei ein ganz besonderes Kolorit der 1950er-Jahre aus.
Selbstverständlich findet der Leser ebenso eine detaillierte Beschreibung aller Rennfahrzeuge des
Kollektivs von 1951 bis 1956 mit ihren technischen Daten und konstruktiven Besonderheiten. Auch die
technischen Entwicklungsschritte werden im Zusammenhang mit den Bedingungen im Eisenacher
Werk beleuchtet. Vervollständigt wird das Bild durch Kurzbiografien der Spitzenfahrer Edgar Barth und
Arthur Rosenhammer sowie der Führungskräfte des Rennkollektivs.
Die in Buchform vorliegende Chronik erfuhr bei ihrer Erarbeitung außerordentliche Unterstützung
durch das Museum „Automobile Welt Eisenach“, dessen Archiv uneingeschränkt zur Verfügung stand.
Auch die Nachkommen einiger wichtiger Protagonisten des Rennkollektivs standen mit Berichten,
Fotos und Dokumenten zur Seite, allen voran Jürgen Barth, der Sohn des damaligen Spitzenfahrers.
Das Buch illustriert den Werdegang des DDR-Rennkollektivs mit über 700 Fotos und Abbildungen und
veranschaulicht dessen Entwicklung darüber hinaus mit Hilfe von 90 Tabellen und 53
Originaldokumenten. Diese reichhaltige Bebilderung und die flüssige Erzählweise werden mit hoher
Wahrscheinlichkeit auch Spaß und Freude an dieser Lektüre erwecken und dabei spannende und
vielleicht auch neue und unerwartete Einblicke in diese Episode des deutschen Rennsports vermitteln.
Hendrik Medrow, Juli 2023