Einzigartiger MZ-Wankelmotor

Die einzige fahrbereite MZ mit Kreiskolbenmotor

MZ setzte in den sechziger Jahren große Hoffnungen in den Wankelmotor und hatte auch gute Gründe dafür. Kreiskolbenmotoren waren von zentraler Bedeutung, andere Entwicklungsaufträge wurden dahinter konsequent zurückgestellt. Dem völlig entgegen steht die fehlende Erinnerung an diese Fahrzeuggeschichte. Umfang und Ziele dieser Arbeiten sind heute nur noch im Ansatz bekannt. Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Zuerst unterlag alles einer Geheimhaltungsklausel im Lizenzvertrag. Nach dem Abbruch der Entwicklungsarbeiten stellte sich die horrende investierte Summe als Fehlinvestition heraus. In 79OKTAN Ausgabe 1/2022 lesen sie die ganze Entwicklungsgeschichte des ersten Wankel-Motorrades der Welt aus Zschopau.

Foto links: Detlev Müller

Hier auf der 79OKTAN-Seite im Netz geht es um eine weitere wichtige Episode zu diesem Thema: Dem einzigen fahrbereiten MZ-Baumuster mit Wankelmotor weltweit. Ein einzigartiger Umstand. Es ist weitaus wahrscheinlicher, einer weißen Mars zu begegnen, als einem funktionstüchtigen originalen MZ-Wankelmotor bei der Arbeit zusehen zu können. Zu verdanken ist das Thomas und Stefan Hofmann aus Drebach im Erzgebirge, die vor 12 Jahren verschiedene dieser Motorenbauteile erwerben konnten. Sie stammten aus der MZ-Versuchsabteilung und sollten nach deren Ende 1993 in Zschopau verschrottet werden. Als damals ein Abteilungsleiter mit der Entsorgung beauftragt wurde, erkannte er den historischen Wert der Teile. Mit Vorgesetzten und der Werkleitung konnte er einig werden und die Motorenteile erwerben. Es handelte sich aber lediglich um einen Rumpfmotor und verschiedene ältere Versuchsteile. Bis zum fahrbereiten Motorrad war es noch ein langer Weg.
Genau darum ging es Vater und Sohn Hofmann. Beide versuchten den Motor zu erwerben, mehr als ein Jahrzehnt ohne Erfolg. Als es im Jahr 2016 zu einer Einigung kam, stand das Ziel fest. Der Motor, der nachweislich einst in einer BK 351 im Fahrversuch lief, sollte wieder in ein Fahrgestell eingebaut werden. Das stellte sich als sehr anspruchsvoll heraus. Trägerfahrzeug sollte eine MZ BK 350 aus der Serienfertigung werden, weil ein Prototyp BK 351 natürlich nicht in Aussicht stand. Zudem stand für Vater und Sohn Hofmann immer die technische Komponente im Vordergrund: Den Beweis zu erbringen, daß dieser Motor läuft und im Fahrbetrieb demonstriert werden kann.

Konkret sprechen wir über das Aggregat mit der Motornummer 2619. Der Leichtmetall-Kreiskolbenmotor war nur als Rumpf erhalten geblieben. Sämtliche Teile wie Ölpumpe, Anlasser, Auspuff, Getriebe und alle Kühler waren nicht mehr vorhanden. Das erklärt, warum die Hofmanns die Priorität auch nicht auf den Nachbau des originalen Vollschwingen-Fahrwerks legten.
Die Ölpumpe konnte in der eigenen Werkzeugbaufirma anhand originaler Zeichnungen nachgefertigt werden. Ihre Förderleistung wurde später auf einem Motorenprüfstand eingestellt. Beim Fahrversuch stellte sich heraus, daß ein anderer Kühler im Fahrgestell einen zu hohen Öldruck verursachte, was eine blaue Abgasfahne zu Folge hatte. Alte Prüfberichte von 1961 belegen, daß MZ einst exakt die gleichen Erfahrungen sammelte. Der Ölkühler war für die Kühlung des Läufers zuständig und saß bereits bei MZ vor dem Wasserkühler für die Gehäusekühlung. Im Fall der Hofmann-Wankel handelt es sich aber um handelsübliche Zubehörteile.

Foto links: Ronny Renner

Vergleichsweise einfach gestaltete sich dagegen die Abgasanlage. Der Krümmer wurde gebogen und im Fahrgestell eingepaßt, der Schalldämpfer stammt von der MZ ES 250. Wie auch beim originalen Prototyp verwendeten die Hofmanns ein BK-Getriebe über einen extra angefertigten Zwischenflansch. Getriebe und Kardan stammen von einem Gelände-Gespann und sind damit besonders lang übersetzt. Der Kreiskolbenmotor dreht rund 2.000 U/min höher als der originale Zweitaktmotor, deshalb liefen schon die Versuchsfahrzeuge mit dieser Übersetzung.

Foto rechts: Detlev Müller

MZ Wankelmotor

Auch beim Anlassen benötigt der Wankel höhere Drehzahlen, weshalb er nicht angekickt werden kann. Im Versuch baute MZ Anlassermotoren aus Cezeta-Rollern ein. Ein solcher lag noch bei Thomas Hofmann im Regal. Während er als Lehrling in der MZ-Versuchsabteilung arbeitete, lagen solche Motoren im Lager. Als er plante, seine TS 150 auf E-Starter umzubauen, händigte ihm sein Meister zwei dieser Motoren zur weiteren Verwendung aus. Ohne zu wissen, wofür diese einmal verwendet werden. Die TS wurde weiter mit dem Kickstarter in Schwung gebracht und die Motoren vergessen. Als Jahrzehnte später das Wankelprojekt anstand und die Zeichnungen auf die Jawa-Starter hinwiesen, erinnerte sich Thomas Hofmann wieder. Einer der beiden Starter stellte sich bei näherer Betrachtung als umgepolt heraus. Genau so, wie es für den MZ-Wankel notwendig war, weil dieser linksherum lief. So kamen an dieser Stelle zwei Bauteile zusammen, die schon einmal in den sechziger Jahren füreinander bestimmt waren.

Foto links: Detlev Müller

Bei den Prüfstandsversuchen mit einer Wasserwirbelbremse stellten sich verschiedene Probleme ein. In erster Linie ging es hier um die Abdichtung, in jeder Hinsicht. Einerseits war es eine sehr diffizile Aufgabe, schon das Gehäuse mit dem Wasserkreislauf abzudichten. Es handelte sich schließlich um einen Versuchsmotor, der diesbezüglich noch einmal schwieriger zu handhaben ist als Großserienbauteile. Weiterhin ging es um die Abdichtung des Läufers (Trochoide), die bei Wankelmotoren immer eine heiße Angelegenheit ist. Die originalen Dichtleisten führten nicht zum Erfolg, sodaß diese nachgefertigt werden mußten. Nach anderen Zwischenlösungen konnte damit wieder das originale Leichtmetallgehäuse verwendet werden, bei dem lediglich die Flächen geglättet wurden.

Foto rechts: Ronny Renner

Der Einbau ins BK-Fahrgestell sollte ebenfalls zur Herausforderung werden, schließlich war dieses nie dafür vorgesehen. Deshalb versuchten Vater und Sohn Hofmann hier pragmatisch, nur die notwendigsten Umbauten vorzunehmen. Das betraf die Motoraufnahmen, die Halterungen für die Kühler und eine ganze Reihe weiterer Details. Die Form des Öltanks wurde beispielweise von einer Zeichnung abgenommen und mit extra angefertigten Werkzeugen aus zwei Teilen neu gepreßt.

Foto links: Detlev Müller

Erstmals präsentiert wurde dieses Fahrzeug in fahrbereitem Zustand während eines Fachvortrags von Herrn Dr. Karl zum Thema Wankel-MZ auf Schloß Augustusburg am 1. September 2021.

https://79oktan.de/mz-vortragsreihe-augustusburg

Für die Teilnehmer vor Ort eine denkwürdige Demonstration sächsischer Ingenieurskunst.

Foto rechts: Detlev Müller

Thomas und Stefan Hofmann planen, nach den ersten Versuchen den Motor weiter abzustimmen und ihn im Frühjahr 2022 auch vor Publikum vorzustellen. Ausfahrten auf Veranstaltungen wird er nicht begleiten, dafür ist das Material einfach zu wertvoll. Schon die originale Molybdän-Beschichtung des Gehäuses ist unwiederbringlich. MZ baute dafür einst eine Sondermaschine für ein Flammspritzverfahren. Dabei liefen zwei Molybdändrähte zusammen, die Schmelze im Lichtbogen wurde dann mit Druckluft auf das Bauteil aufgespritzt. Damit erreichte MZ beim Wankelmotor einst sehr gute Verschleißwerte. Bis zum Schluß stand die Maschine in der Versuchsabteilung, dann verliert sich ihre Spur. Um ein Haar wäre es auch dem originalen Wankelmotor von MZ so ergangen, der nur durch beherztes Eingreifen gerettet und mit viel Sachverstand und Enthusiasmus jetzt wieder zum Leben erweckt wurde.