Kindheitserinnerungen an unser kleines, rotes „Familienmitglied“

Ich war etwa drei Jahre alt, als mein Papa wie gewohnt von der Arbeit nach Hause kam und zu mir sagte, er hätte eine Überraschung für mich. So ging ich mit ihm an unser Erkerfenster in der Wohnstube und schaute hinaus. Da stand ein kleines Auto vor unserem Wohnhaus auf der Puschkinstraße, im damaligen Karl- Marx- Stadt, ganz allein an der Bordsteinkante.

Mein Papa erzählte, dass er das Auto, einen Trabant, von der Arbeit bekommen hat und wir mit diesem viel fahren werden. Juhuh!, Das hat mir sehr gut gefallen, denn Autos hatten mich schon frühzeitig interessiert und jetzt hatten wir sogar selber eines. Und wen von den Kindern aus unserer Straße könnten wir mal mitnehmen?

Später erfuhr ich von meiner Mutter, dass es damals die ersten Trabis in Blau, Grün und nur zwei in Rot gegeben haben soll. Sie freute sich zwar sehr über das neue „Familienmitglied“, aber bitte möglichst nicht in Rot: „Da denken doch die Leute wir sind von der Feuerwehr!“ Damit es bei der Übergabe der Autos an meinen Papa und seine Kollegen keine Sprüche wie „Aber der Blaue hätte mir besser gefallen.“ gab, wurden die Fahrzeuge ausgelost. Und wir bekamen das 0-Serienfahrzeug Nr. 10 - und ausgerechnet in Rot. Für mich jedoch gab`s damals nichts Schöneres!

In den folgenden Monaten waren wir viel unterwegs und mein Papa musste Berichte schreiben, was ihm an dem Auto gefiel und was man verbessern musste. Abends zuhause saß er oft an seinem Schreibtisch und erfasste alles Wichtige in einem Buch. Da durfte ich nicht stören!

Manchmal ging auf unseren Familienausflügen, auch mal was am Fahrzeug kaputt. Auch Teile die man nicht vor Ort reparieren konnte. Wenn wir Glück hatten, fanden wir eine Kfz-Werkstatt, die uns weiterhelfen konnte. Viele gabs damals nicht und für Trabant schon gar nicht. Am Wochenende konnten wir den Trabi nur vor Ort stehen lassen. Dann gings mit Bus und Bahn zurück. Wenn das Auto noch rollfähig war, hat uns ein Kohlehändler, die Fa. Hunger, auf unserer Straße geholfen. Er kam mit einem alten britischen Militär-Lkw vor Ort und hat den Trabi nach Hause geschleppt. An den Lkw kann ich mich noch gut erinnern. Der sah so ganz anders aus. Keine lange Motorhaube, sondern vorn wie plattgedrückt. Nach meiner heutigen Recherche handelte es sich offenbar um einen Bedford QLD-Truck.

Ein Erlebnis geht mir bis heute nicht aus dem Kopf. Wir waren zusammen mit Tante und Onkel zu einem Wochenendausflug unterwegs. Sie fuhren mit ihrem F8 Cabriolet hinter uns. An einem Rastplatz neben der Straße hielten wir an, um auf der Landkarte die weitere Fahrt zu planen. Während die Erwachsenen mit sich zu tun hatten, lockte mich ein Sandhaufen am Straßenrand. Ich stieg unbemerkt aus und spielte dort mit einem Holzauto. Plötzlich saßen meine Eltern im Trabi und fuhren langsam wieder auf die Straße. Oh Schreck, ich will doch mit! Ich rannte los und wollte mich auf die Stoßecke hinten rechts draufstellen. Zum Glück wurde ich von meiner Tante zurückgehalten und durfte mich auf der Rücksitzbank im F8 verstecken. Dann hieß es: „Na, mal sehen, wann die merken, dass ihr Kleener nicht an Bord ist“. Meine Mutter merkte dann schnell, dass es auf den hinteren Plätzen ungewöhnlich ruhig war! Ende gut, alles…

Unsere Ausflüge, allein oder mit Freunden und Familie, führten uns oft zum Camping in die Waldgebiete in der Nähe von Augustusburg. Mein Vater hatte dafür vier Klapphocker sowie einen runden Tisch mit einschraubbaren Füßen gebaut und passend zum Trabi rot gestrichen. Die waren leicht und platzsparend. Eine Stelle im Wald oberhalb von Waldkirchen war besonders schön. Dort fuhren wir mit Trabi und F8 des Onkels bis auf eine Lichtung und verbrachten hier den ganzen Tag. Ich hatte viel Spaß beim Fußballspielen und Buddeln mit Kipper und Bagger im Waldboden. Dass da Städter tief in den Wald reinfuhren, fiel natürlich auch dem Revierförster auf. Der kam zu uns und fragte, was wir hier treiben. Nachdem wir unser Vorhaben erklärten und versicherten aufzupassen und die Natur zu achten, konnten wir weiterhin den schönen Platz nutzen. Ab und an kam danach der Förster bei uns vorbei und ließ sich gern an unserem Tisch ein Tässchen Kaffee aus der Thermoskanne schmecken.           

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